Probiotika können auch Schaden am Haustier anrichten – Fallbeispiel Filou

Heute möchte ich die Zeit nutzen, um euch die Geschichte eines Patienten zu erzählen, die mir bis heute im Gedächtnis geblieben ist. Sie zeigt, dass auch scheinbar „harmlose“ Nahrungsergänzungsmittel wie Probiotika bei falscher Anwendung großen Schaden anrichten können.
(Namen und Bilder wurden geändert.)

Filous Vorgeschichte

Der Notfall im November 2018

Im November 2018 wurde mir Filou, ein 11 Jahre alter Kater, als akuter Notfall vorgestellt. Er war in einem lebensbedrohlichen Zustand:

  • er litt unter einer sehr starken Kolik,
  • einer akuten Pankreatitis,
  • Veränderungen an Gallengängen und Gallenblasenwand,
  • starkem Erbrechen und massiven Bauchschmerzen,
  • Fellverlust an Kopf und Bauch,
  • einer kompletten Dysbalance der Mikrobiota (Darmflora),
  • schlechten Blutwerten und einem allgemein sehr schlechten Allgemeinbefinden.

Die Prognose war zu diesem Zeitpunkt äußerst schlecht.

Was war passiert?

Der Darm ist ein hochkomplexes System – viele unterschätzen, wie sensibel das Zusammenspiel von Bakterien, Schleimhaut und Immunsystem ist.

Filou war zuvor von einer Kollegin mit zahlreichen Probiotika in viel zu hoher Dosierung behandelt worden. Die Behandlung erfolgte offenbar auf Grundlage eines Darmflora-Befundes, doch die Interpretation war falsch: Es wurden zu viele Bakterienstämme gleichzeitig und in einer viel zu hohen Menge gegeben.

👉 Das Problem: Probiotika sind kein „viel hilft viel“-Mittel.
Ein Zuviel kann den Darm massiv aus dem Gleichgewicht bringen und zu schweren Folgeerkrankungen führen – wie im Fall von Filou.

Darmflora Befund von Filou: Aufgrund dessen wurden viel zu viele Probiotika verordnet.

Mein erster Schritt: Alles stoppen

Nach der ausführlichen Anamnese habe ich zunächst alle Mittel abgesetzt, die von der Kollegin verordnet worden waren. Nur so konnte ich Filous Körper die Chance geben, überhaupt wieder ins Gleichgewicht zu kommen.

Dann erstellte ich einen Notfallplan, um die akute Situation zu stabilisieren. Schon nach 14 Tagen war Filou aus dem lebensbedrohlichen Zustand heraus – aber sein Körper war noch lange nicht gesund.

Es wurden viel zu viele Probiotika und in zu hoher Dosis gegeben.  Viel hilft nicht viel!

Der lange Weg zurück

Es folgten drei Monate intensive Betreuung:

  • Stabilisierung der Bauchspeicheldrüse,
  • Stärkung der Schleimhäute,
  • schrittweiser Aufbau der Darmflora in einer langsamen und gezielten Reihenfolge,
  • Kontrolle der Blutwerte,
  • sanfte Unterstützung von Leber und Galle,
  • begleitende Schmerztherapie.

Erst nach rund sechs Monaten war Filou wieder vollständig gesund.

Die Rückkehr zur Lebensfreude

Ein besonderer Erfolg war, dass wir Filou wieder auf seine geliebte BARF-Mahlzeit umstellen konnten – eine Ernährung, die ihm von der vorherigen Therapeutin verboten worden war. Seine Halterin erlebte dadurch, wie sehr die richtige Ernährung und eine individuell angepasste Darmtherapie die Lebensqualität verbessern können.

Heute gehört Filou zu meinen Stammpatienten. Seine Halterin kommt regelmäßig einmal jährlich zur Blutbildkontrolle und lässt die Werte von mir auswerten. So haben wir eine zuverlässige Möglichkeit, frühzeitig Veränderungen zu erkennen und rechtzeitig zu handeln.

Die Geschichte vom Filou geht online, um Ihnen zu zeigen, wie wichtig es ist, dass eine Behandlung auch mit sogenannten Nahrungsergänzungsmitteln oder auch Probiotika schädlich sein können.

Die Lehre aus diesem Fall

Filous Geschichte ist kein Einzelfall. Immer häufiger sehe ich Tiere, deren Magen-Darm-Probleme durch falsch eingesetzte Probiotika verschlimmert wurden.

Die wichtigsten Punkte:

  • Probiotika können schaden, wenn sie falsch ausgewählt oder überdosiert werden.
  • Der Darm ist komplex – er braucht gezielte, individuelle Unterstützung, keine pauschalen Lösungen.
  • Selbstbehandlungen sind riskant. Tierhalter sollten niemals auf eigene Faust Probiotika oder andere Mittel einsetzen.
  • Fachliche Erfahrung zählt. Fragen Sie nach, welche Kenntnisse und Erfahrungen Ihr Tierheilpraktiker im Bereich der Darmgesundheit hat.
  • Vorsorge ist wertvoll. Regelmäßige Blut- und ggf. Darmkontrollen helfen, Erkrankungen rechtzeitig zu erkennen.

Fazit

Filou hat es geschafft – aus einem lebensbedrohlichen Zustand zurück zu einem gesunden, lebensfrohen Tier. Seine Geschichte zeigt eindrucksvoll, wie wichtig Fachwissen, ein strukturiertes Vorgehen und Geduld in der Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen sind.

Bitte behandeln Sie Ihr Tier nicht selbst und vertrauen Sie auf erfahrene Therapeuten, die den Darm wirklich verstehen. Denn: Auch Nahrungsergänzungsmittel wie Probiotika können Schaden anrichten – wenn sie falsch eingesetzt werden.

© März 2022 Dayana Winkler