Wenn die Darmflora völlig aus dem Gleichgewicht ist.

Heute möchte ich euch wieder mal einen Fall aus einem Praxisalltag vorstellen:

Im April 2015 erreichte mich ein Anruf von Frau M.
Ihre Katze (Tipsi) hat seit längerer Zeit (07/2014) sehr schlimmen und wässrigen Durchfall, welcher bereits im Alter von acht Wochen begann.

Eine parasitologische Kotuntersuchung ergab, dass das Tier Giardien (einzellige Dünndarm-Parasiten) hat. Damit begann die lange Leidensgeschichte, denn Tipsi bekam acht Behandlungen mit Spatrix, Panacur, Metronidazol.
-An dieser Stelle möchte ich nicht die Behandlung im Allgemeinen anprangern, sondern vielmehr die massive Häufigkeit. Viel hilft nicht viel! -

Frau M. stellte fest, dass unter dem Medikament Metronidazol eine Besserung eintrat.

Spätestens an dieser Stelle hätte dem behandelnden Tierarzt auffallen müssen, dass der Durchfall nicht nur Parasiten bedingt sein konnte, denn Metronidazol ist ein Antibiotikum, welches sich unter anderem zur Therapie bakterieller Infektionen durch einzellige Parasiten eignet.

Es hätte ihm auffallen sollen, dass im Darm eine Dysbiose vorliegt.

Im Darm unserer Haustiere leben sehr viele Bakterien - die Meisten leben friedlich und sind hilfreich, denn sie unterstützen das Immunsystem. Sind allerdings Bakterien im Darm unterwegs, die dort nicht hingehören bzw. „gute“ Bakterien, die ungesund wurden, kommt es zu einem bakteriellen Ungleichgewicht, welches man Dysbiose nennt.

Liegt diese im Darm vor, haben weitere Bakterien, z.B. Clostridien (Sporenbildende Bakterien), freie Bahn.
Diese verursachen erneut Durchfall und der Teufelskreis beginnt.

Die richtige Behandlung ist dann eine vernünftige und logische Darmsanierung. Warum verwende ich hier das Wort „logisch“?

Erst einmal müssen die Bedingungen für die Darmsanierung bzw. die Zuführung der guten Darmbakterien geschaffen werden.
Die Gabe von allgemeinen Darmprodukten, wie z.B. Symbiopet, Dr. Wolz-Kapseln, Intestinum, Bevitasel, Sana Darm uva. macht nur Sinn, wenn die enthalten Bakterien in den Darm umziehen wollen.

Stimmt allerdings das Darmmilieu nicht, wandern die zugeführten Kulturen „durch“ den Darm unseres Haustieres und schaffen nur kurz Besserung oder Linderung, werden aber nicht sesshaft – sie werden dann mit dem Kot wieder ausgeschieden.
Dadurch kehrt der Durchfall immer wieder.

Man kann sich das so vorstellen, als ob man durch ein Musterhaus geführt würde; es sieht recht nett aus, aber einziehen? Nein, viel zu unpersönlich. Schaffen wir also eine persönliche/individuelle Umgebung (Milieu) wie “eine passende Tapete an der Wand”, dann fühlen sich die zugeführten Bakterien wohl und ziehen fest ein.
Damit verdrängen sie die negativen Hausbesetzer (ungesunde/pathogene Bakterien).

Zurück zum Fall:

Stattdessen ordnete der Tierarzt eine weitere Kotuntersuchung an, genauer eine Nahrungsausnutzung. (Hier wird getestet ob das Tier seine Nahrung ordentlich verdaut).

Daraufhin verordnete er Enzyme zur Verdauung, weil er von einer Fehlsteuerung der Bauchspeicheldrüse ausging (Ohne jede weitere Untersuchung!) Denn hierfür gibt es eine spezielle Untersuchung! Ein Blutwert namens TLI, die Katze muss 12 h nüchtern sein!

Logischerweise wurde der Durchfall durch die Enzymgabe nicht besser, denn die Bauchspeicheldrüse war nie das Problem. Des Weiteren wurde Futter von Royal Canin für dem Magen-Darm-Trakt verordnet. Es trat weiterhin keine Besserung ein. Frau M. besuchte weitere Tierärzte alle verordneten "Diät Futter".

Im weiteren Verlauf stellte sich ein neues Problem ein: Durch den ständigen weichen bzw. flüssigen Kot wurden die Analdrüsen nicht ordnungsgemäß entleert, sodass sie verstopften und schmerzhaft vom Tierarzt entleert werden mussten.

Dann endlich wurde eine große Kotuntersuchung veranlasst. Wie zu erwarten war, konnte man die Dysbiose erkennen. Wie der Tierarzt weiter behandelt hätte, wissen wir an dieser Stelle nicht, da Frau M. den Tipp bekam, sich bei mir zu melden und die tierärztliche Behandlung beendete.

Wir begannen also mit der Anamnese und ich weiß noch, wie ich über den Verlauf der bisherigen „Behandlung“ mit den Augen rollte. Viel Geld ausgegeben für nichts!

Eine komplett zerstörte Darmflora nebst Darmmilieu unter den gegebenen Umständen wieder aufzubauen, ist auch für mich nicht unbedingt einfach, denn zaubern kann ich nicht.

Aber wir haben es Stück für Stück geschafft. Leider ging Tipsi zwischenzeitlich nicht mehr auf das Katzenklo, denn sie verband den wässrigen Durchfall mit Schmerzen, was den Druck durch Frau M. verständlicher Weise erhöhte. Nach einem Jahr Behandlung, hatten wir den Kot dauerhaft breiig (Bilder erspare ich euch an dieser Stelle).

Die Behandlung pausierte nun erst einmal, da ich Frau M. als nächsten Schritt riet, die Ernährung umzustellen. Diesbezüglich meldete sich Frau M. einige Zeit später, dass nun Tiefkühler und gute Nerven bereit seien.

Die guten Nerven sind hierbei sehr wichtig, denn eine Ernährungsumstellung bei Katzen ist nicht immer leicht. Zitat von Frau M. “Konsequenz war hierbei sehr wichtig und ich hätte auch nie gedacht, dass ich so konsequent bleibe…”

Seit ca. zwölf Monaten wird Tipsi mit konservierungsstofffreier Nahrung gefüttert (BARF). Und was soll ich euch sagen? Bilder sagen an dieser Stelle einfach mehr.

Wie man sehen kann, sind wir von breiigem Kot weit entfernt, und ja, Tipsi sucht auch wieder das Katzenklo auf.

Da sie aber immer wieder mal kleine Rückschläge hat, haben wir erneut eine Darmflorauntersuchung gemacht. Da zeigte sich, dass wir noch ein paar Feinarbeiten vornehmen müssen. Diese sind aktuell in Behandlung.

Ich stelle euch Tipsi nicht ohne Grund vor.

Aussichtslose Durchfallpatienten sind nicht behandelbar, indem man Antibiotika oder Wurmmittel ohne Ende in das Tier pumpt.

Die Darmflora von Hunden und Katzen ist bisher nicht so weitreichend erforscht wie die des Menschen, und auch da stecken wir noch in den Kinderschuhen.

Der Darm ist eine komplett eigene Welt, die allerdings die Basis von Gesundheit und Wohlbefinden darstellt. Die Forschung im Humanbereich zeigt erstaunliche Erkenntnisse und die Schulmedizin kommt immer mehr dahinter, dass gerade chronische Erkrankungen ihre Entstehung im Darm haben.

Wir können dieses Wissen sehr zum Wohle von Mensch und Tier einsetzen.

© Oktober 2018 Dayana Winkler